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KEIN SCHWARZWEISSES THEMA: DIE ERINNERUNG VON NATIONAL SOZIALISMUS IN MÜNCHEN

BY ANA DILLEY

'München ist die Stadt Hitlers, des deutschen Faschistenführers, die Stadt des Hakenkreuzes, dieses Symbols völkischen Trotzes und eines ethnischen Aristokratismus, dessen Gebaren freilich nichts weniger als aristokratisch ist.'- Thomas Mann, 1923

 

Obwohl Berlin immer das politische Herz des dritten Reichs war, ist keine deutsche Stadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus so eng verbunden wie München.  Als momentane Münchnerin und Studentin der Germanistik und Geschichte, liegt es für mich auf der Hand, dass der öffentliche Erinnerungsprozess, der nicht allzu fernen Vergangenheit in Deutschland, schwierige Fragen über die Benutzung von öffentlichem Raum für Gedenkstätten und Erinnerung aufwirft.

 

Die vom deutschen Künstler Gunter Demnig gestalteten Stolpersteine erwiesen sich in München als umstritten. Diese Stolpersteine, die im Boden vor der letzten Wohnung oder dem letzten Arbeitsplatz der Opfer des Nationalsozialismus verlegt wurden, um die Menschen an das Schicksal  dieser Opfer zu erinnern, werden von Charlotte Knobloch (Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern) und anderen Kritikern in München als „unerträglich“ betrachtet, da auf den Namen der ermordeten Opfer herumgetrampelt wird.  Es gibt mehr als 200 für die Münchener Opfer der NS-Zeit geschaffene Stolpersteine, die aufgrund einer politischen Wahl nicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen der Stadt verlegt werden konnten. In München gibt es nur Stolpersteine auf Privatgrund. Die Argumente dagegen sind verständlich, aber meiner Meinung nach ist die Konsequenz, dass es vielleicht einfacher wird - als Touristen aber auch Münchner - die Geschichte Münchens zu vergessen. Obwohl es eine Initiative gibt, die Gedenktafeln an Wänden installiert hat, habe ich keine gesehen. Im Vergleich dazu habe ich zahlreiche Stolpersteine außerhalb Deutschlands, z.B. in Prag sowie in Budapest, gesehen, die mich bei meiner touristischen Träumerei unterbrachen und mich an die tragischen Folgen des Vorurteils, des Hasses und der unangefochtenen Autorität erinnerten.

Einerseits sollten die dezentralisierten Stolpersteine als zufällige Erinnerungen an die Vergangenheit dienen, jedoch gibt es jetzt eine ganz andere Art der Benutzung eines historischen Orts, nämlich den immer beliebteren sogenannten „Schwarzer Tourismus“: in München ist Dachau die berühmteste Stätte dieser Art.

 

Bei meinem jüngsten Besuch in Dachau, war ich vom ausgezeichneten Kurator des Museums beeindruckt, sowie von der Atmosphäre und dem unvermeidlichen Gräuel der Verbrechen, die an diesem Ort begangenen wurden, entsetzt und auch die Komplexität der Erinnerungsprozesse und die Benutzung von ehemaligen Orten der Gräueltaten ist mir aufgefallen. Durch den Audioguide habe ich gelernt, dass die Mehrheit des Gebiets, das Dachau umfasst, Kasernen für die SS Soldaten und ihre Familien waren. Dieses Gebiet wird jetzt von bayerischen Bereitschaftspolizisten benutzt. Ich kann nicht genau erklären, warum ich das beunruhigend finde.  Vielleicht liegt es daran, dass dieser Sinn der Kontinuität irgendwie leichtwertig, widersprüchlich oder auch unempfindlich erscheint. Zwar soll dies nicht heißen, dass ich die bayerische Bereitschaftspolizisten als Nazis sehe, aber dass dieses Gebiet von denen benutzt wird, die für die Unterdrückung und auch für die Verwendung von Gewalt im Namen des Gesetzes zuständig sind, gefällt mir nicht. Dieses Gefühl der Besorgnis, sowie die Tatsache, dass ich diese Entscheidung hinterfragen wollte, zeigt mir, dass es schwierig ist, die Vergangenheit eines Orts einfach zu vergessen. Für mich war das ein metaphorisches Überbauen, was einen Mangel an Selbsterkennung und kritischer Selbstreflexion zeigt.

 

Darüber hinaus war es auch bemerkenswert, wie sich Dachau als Gedenkstätte im Verlauf der Jahre verändert hat. Das im Jahr 1968 erbaute Mahnmal (siehe Bild) besteht aus den verschiedenfarbigen Dreiecken, die die Symbole darstellen, mit denen die Häftlinge Dachaus gekennzeichnet wurden. Im Rahmen der zu dieser Zeit anerkannten Verfolgtengruppen, kann man keine schwarzen („asoziale Häftlinge“), grünen („kriminelle Häftlinge“) oder rosanen („homosexuellen Häftlinge“) Winkel sehen. Klar ist, bestimmte Opfer können aufgrund der sozialen Haltungen der Zeit des Erinnerungsprozesses ausgeschlossen werden. Erst im Jahr 1985 - im Anschluss an eine LGBT-Aktion - wurde ein rosa Winkel in die Gedenktafel von Dachau eingebaut. Seit 2003 ist der Fokus der Ausstellung der „Weg der Häftlinge“. In der ersten Ausstellung im Jahr 1965 gab es eine Inszenierung mit Puppen, die Sträflingskleidung trugen, wohingegen die jetzige Ausstellung mit Berichten und Zeichnungen der Häftlinge und Biographien sowie den historischen Orten selbst arbeitet, um Besucher über die Erfahrungen der Opfer zu unterrichten.

Während die historische Forschung sich entwickelt und die Gesellschaft sich verändert, muss München ebenso auf den früheren Versuchen, seine Geschichte zu verewigen, aufbauen. Das Problem ist nicht nur wie München sich an die Opfer von Nationalsozialismus und die Verbrechen der Nazis erinnert, sondern auch wie die Erinnerung und Geschichte der Stadt immer noch diskutiert werden müssen. Das allerwichtigste ist jedoch, dass München eine Gesellschaft fördert, in der die offene Diskussion der Vergangenheit sowie Formen der Erinnerung begrüßt werden, um eine immer effektivere Erinnerungskultur für die nächste Generation, die ohne Kontakt mit den Überlebenden leben wird, zu schaffen.

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